TITEL an der Universität Paderborn gegründet wurde und dessen Geschäftsmodell auf der Entwicklung von Lacken basiert, zeigt sehr schön, wie der Transfer in die Praxis gelingen kann und wie theoretisches Wissen sich erfolgreich in ein Produkt überführen lässt. Den Doktoranden ist es in ihrer Promotion ge- lungen, ein Verfahren zu entwickeln, dass Lacken beispielsweise wasser- abweisende oder schmutzabweisende Eigenschaften verleiht. In den letzten Jahren hat das Startup sein Produkt weiterentwickelt und neue Forschungserkenntnisse umgesetzt. Mittlerweile haben die Gründer in der Wirtschaft Fuß gefasst und arbeiten mit großen Unternehmen zu- sammen. So gibt es beispielsweise einen Lack für Kindermöbel, der sich problemlos von Filzstiftfarben reinigen lässt. Excellence Coatings zeigt, wie sich aus Forschungserkenntnissen von Wissenschaftlern mit einer bestimmten Thematik neue Erkenntnisse gewinnen lassen, welche dann – auch mit Unterstützung der garage33 – in Produkte und Geschäftsmo- delle überführt werden können, so dass sie sich schlussendlich am Markt etablieren können. Wo liegen die Chancen bei Partnerschaften zwi- schen dem Mittelstand und Startups und wie profitieren beide Seiten davon? Dr. Sebastian Vogt: Dass Startups von Etablierten ler- nen können, liegt auf der Hand. Schließlich verfügen sie beim Markteintritt meistens noch nicht über ein perfektes Produkt. Deshalb brauchen sie Kunden, die an sie glauben, die ihnen die Chance geben, sich wei- terzuentwickeln und die bereit sind, für erste Pilotpro- zesse zur Verfügung zu stehen. Pilotkunden sind es- senziell für Startups. Für Unternehmen sind Kooperationen mit Startups aber mindestens ge- nauso essenziell. Wir sehen zum Beispiel, dass sich aus Kontakten in einer frühen Phase sehr lange und vertrauensvolle Beziehungen entwickeln können. Auch haben Corporates die Möglichkeit, das Startup für ihre eige- ne Problemstellung zu sensibilisieren. Im besten Fall nimmt es sich sogar mit deutlich höherem Aufwand, als es sonst ein Marktteilnehmer tun wür- de, ihren konkreten Problemen an. Gleichzeitig profitieren etablierte Unternehmen von der Kultur des Start- ups, da die Gründerinnen und Gründer, ich nenne es einmal ganz bewusst, oftmals mit einer gesunden Naivität an die Fragestellung herangehen. Die eigenen Innovationsabteilungen in den Unternehmen würden in der Re- gel niemals so vorgehen, weil sie aufgrund einer gewissen Betriebsblind- heit mögliche Lösungen nicht ins Auge fassen oder nach einigen Versu- chen mit dem Hinweis „das funktioniert sowieso nicht, das haben wir schon 100 Mal versucht“ aufgeben. Nicht zuletzt profitieren die Corporates auch von der enormen Innovati- onskraft der jungen Unternehmen. Es gibt einige Beispiele, die zeigen, dass sie sich an den Startups beteiligen oder sie aufkaufen, um die eigene Innovationskraft zu stärken. Warum tun sich etablierte Unternehmen so schwer, Innovationen zu entwickeln? Dr. Sebastian Vogt: Die große Herausforderung ist, dass je größer ein Unter- nehmen wird, desto hierarchischer wird es, und desto langsamer werden zumeist auch die Prozesse. Die meisten Unternehmen sind sehr gut in der inkrementellen Entwicklung, also ein Produkt von Version 1.1 auf Version 1.2 zu heben. Schwieriger wird es allerdings, wenn es darum geht, die In- novationskraft des Marktes zu betrachten. Und was besonders problema- tisch ist, es sind schon lange nicht mehr die bekannten Konkurrenten, die Wir haben viel erreicht, müssen aber noch stärker werden, weil andere Nationen nicht schlafen. dem Unternehmen gefährlich werden. Vielmehr treten ganz andere Bran- chen in das eigene Marktsegment ein. Startups können hier gut helfen und den Fokus auf die Technologie legen. Eine Partnerschaft zwischen Etablier- ten und Startups ist eine Win-win-Situation für beide Seiten. Außerdem können wir stolz sein, dass wir in unserer wirtschaftsstarken Re- gion mit ihren familiengeführten Unternehmen und den kurzen Entschei- dungswegen beste Voraussetzungen haben. Wir haben hier ein riesiges Asset – davon kann ganz OWL profitieren. Allerdings muss es gelingen, dass beide Welten sich mit offenen Armen und Augen gegenseitig begeg- nen, trotz kultureller Unterschiede. Vor zehn Jahren entstand das TECUP, das Gründungszentrum der Universität Paderborn. Die garage33 unterstützt seit 2017 Grün- derinnen und Gründer. Wie hat sich das Startup-Ökosystem durch Ihr Engagement entwickelt und wie schlägt sich das in konkreten Zahlen nieder? Dr. Sebastian Vogt: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Startup-Szene in Ostwestfalen-Lippe er- freulich weiterentwickelt. Neben verschiedenen regi- onalen Angeboten wie der Founders Foundation, des Pioneers Club und des Denkwerks gibt es mittlerweile auch an allen Hochschulen eigene Gründerzentren. Und gerade an den Hochschulen haben wir Struktu- ren aufgebaut, um die uns andere Regionen und Bun- desländer beneiden. Hilfreich für uns war hier die Förderung im Programm Exzellenz Start-up Center NRW, weil wir so an allen ostwestfälischen Hochschul- standorten Strukturen aufbauen und verstetigen konnten. Mit dem neuen Startup Campus OWL haben wir zudem eine Anlaufstelle geschaffen, die bereits heute eine überregionale Strahlkraft hat und mit der wir überregio- nale Innovatoren erreichen, welche wir nun gezielt in die Region holen können. Der Startup Campus der Uni Paderborn ist ein Lichtblick und wir haben das Commitment, dass die Hochschule auch künftig die personelle und infra- strukturelle Verstetigung weiterentwickeln möchte. Sie unterstützt nicht nur die Sichtbarkeit, sondern auch das aktive Doing. Was die Zahl der Startup-Gründungen in Paderborn anbelangt, so kön- nen wir seit Beginn unserer Arbeit in 2017 ca. 150 Ausgründungen aus der Universität feststellen. Im Vergleich dazu, gab es in den 50 Jahren zuvor insgesamt 300 Gründungen. Das Thema Ausgründung aus der Uni- versität ist somit nicht neu, aber als Universität betrachten wir das Thema heute viel stärker und berücksichtigen es beispielsweise auch in unserer curricularen Lehre. Wir haben in den letzten Jahren sehr viel erreicht, aber ehrlicherweise müssen wir noch stärker werden, weil andere Regionen, aber auch andere Nationen nicht schlafen. Da weht uns ein rauer Wind entgegen. Wir müs- sen schneller werden und endlich noch entschlossener handeln. Das wird gerade jetzt immer sichtbarer. Im internationalen Vergleich verfügen wir in Deutschland zwar über eine anerkannte sehr gute Spitzenforschung, dennoch gelingt es uns im Ver- gleich zum internationalen Wettbewerb noch zu selten, diese Topfor- schung in marktfähige Produkte und Dienstleistungen zu überführen. Da stehen wir leider weit hinter China und den USA zurück. ❚ Das komplette Interview lesen Sie auf mawi-westfalen.de. 16 markt & wirtschaft 3 / 2025 zurück