TITEL NACHHALTIGES WIRTSCHAFTEN Mit Mut zur Veränderung Die Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit ist ein aufwendiger Prozess, der Know-how, Zeit und Geld erfordert. Wie Unternehmen sich auf den Weg machen können. Wilhelm Mormann hat eine Haltung, wenn es um nachhaltiges Wirtschaften geht. Umweltschutz, wirtschaftliches Handeln und soziale Verantwor- tung sind für den IT-Unternehmer aus Rheda-Wie- denbrück die Grundlage einer Strategie, die auf den unternehmerischen Werten aufbaut: Mut zur Veränderung, Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt, Kontinuität und nicht zuletzt Quali- tät. Das gilt nicht nur für das IT-Unternehmen, son- dern auch für seine Aktivitäten im Immobilienge- schäft. In seinem aktuellen Projekt REMISE Bünde, wo er zwei historische Industriehallen komplett saniert und ihnen neues Leben einhaucht, zeigt sich sein verantwortungsvoller Umgang mit unse- ren Ressourcen. Die Produktion von Wärme, Klima- kälte und Strom für den modernen Work Space und die Eventlocation erfolgen mit der heute vor- handenen Technik nach ökologischen Prinzipien. Dafür musste der Mittelständler kräftig inves- tieren. Allein für die PV-Anlage nahm der Unter- nehmer 500.000 Euro in die Hand. Das sei für ihn selbstverständlich, es gebe keine Alternative, so Mormann. So weit sind noch nicht alle Unternehmen. Zwar betonten knapp 80 Prozent der kleinen und mittelständischen Betriebe, Nachhaltigkeit ist ein relevantes Thema. In der Praxis zeigt sich jedoch ein anderes Bild, wie die aktuelle Studie zum Thema Nachhaltigkeit und deren Umsetzung der Gothaer ermittelt hat. Lediglich 16 Prozent der Un- ternehmen haben bereits ihren CO2-Ausstoß ermitteln lassen. Die eigene Überzeugung spielt eine wesentliche Rolle, wenn es um Nachhaltigkeit geht. 41 Prozent der befragten Unternehmen gehen das Thema an, weil es ihnen selber wichtig ist, – ein Zu- wachs von drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Dabei zeige sich, dass bei kleineren Unter- nehmen die persönliche Haltung eine deutlich größere Rolle spie- le als bei größeren Unternehmen. Die Gründe, im Unternehmen Nachhaltigkeit umzusetzen, sind auch strategischer Natur. Eine nachhaltige Ausrichtung erhöht die Attraktivität bei den Kunden und führt zu einem besseren Unter- nehmensimage. Die Möglichkeit, Ressourcen, Emissionen oder Kosten zu sparen, sehen kleine und mittelständische Betriebe vor allem bei der Energieversorgung. Etwa ein Drittel versucht die Emissionen ihrer Gebäude zu reduzieren. Und obwohl bei vielen die Notwendigkeit der nachhaltigen Trans- formation angekommen ist, gibt es noch eine Reihe von Gründen, die die Umsetzung verhindern: das Fehlen finanzieller Ressour- cen, zu wenig Zeit und das mangelnde Know-how, wie und wo Prozesse nachhaltig ausgerichtet werden können. 12 markt & wirtschaft 6 / 2023 zurück Die Gründe, im Unternehmen Nachhaltigkeit umzusetzen, sind auch strategischer Natur. Ein Blick in die Region zeigt, dass Unternehmen ver- schiedene Wege offenstehen, um sich auf den Weg zu mehr Nachhaltigkeit zu machen. In den vergan- genen Jahren sind viele Initiativen entstanden, die sich dem Thema widmen und konkrete Projekte für Unternehmen anbieten. Dazu gehört zum Beispiel der Spitzencluster it´s OWL, der aktuell eine Strate- gie „Industrie.Zero“ entwickelt und Betriebe zum Mitarbeiten einlädt. (siehe auch Beitrag Seite 13) Schaut man auf das Projekt CirQuality OWL, ein Zu- sammenschluss aus fünf regionalen Branchennetz- werken, das sich für die nachhaltige Transformation der regionalen Wirtschaft stark macht, dann war das bis jetzt für die teilnehmenden Unternehmen ein riesiger Erfolg. Zahlreiche Betriebe sind hier mit Unterstützung des Innovationsnetzwerks erste Schritte zur zirkulären Wertschöpfung gegangen und können mittlerweile auf erste positive Ergeb- nisse verweisen. Hilfreich ist auch die Kontaktaufnahme mit den Hochschulen und Universitäten in der Region. Wie fruchtbar Ko- operationen mit Forschungseinrichtungen sein können, hat sich bereits des Öfteren gezeigt. Unternehmen, die diesen Schritt schon gegangen sind, haben davon ganz konkret profitiert. So ha- ben Studierende der Hochschule Bielefeld mithilfe von Künstli- cher Intelligenz ein Social-Media-Projekt zur Lead-Generierung für einen Spezialisten für Geobaustoffe in Espelkamp umgesetzt und ein Tool für den Service-Bereich entwickelt, dass Kunden ge- zielt bei der Suche nach konkreten Informationen unterstützt. (siehe auch Beitrag Seite 22) Berührungsängste seien gar nicht angebracht, so Professor Dr.- Ing. Hans Brandt-Pook, Wirtschaftsinformatiker der Hochschule Bielefeld, der bereits Erfahrung in der Kooperation mit Unterneh- men hat. „Die gemeinsame Erarbeitung einer Lösung ist eine Win- Win-Situation“, ist der Wissenschaftler überzeugt. Außerdem könnten für viele Projekte konkrete Fördermittel genutzt werden, ein weiterer Vorteil für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Und wer nicht den direkten Weg in die Hochschule gehen möch- te, der stößt beim ThinkThank OWL auf offene Ohren. Hier in der Denkfabrik sind Männer und Frauen aktiv, die sich für Verbin- dungen von Unternehmen in die Wissenschaft stark machen und eine Art Übersetzungsfunktion übernehmen. Projektleiter Pedro Campos Silva: „Wir machen Know-how und Möglichkeiten von Forschung für die Unternehmen greifbar. Davon profitieren insbesondere solche Firmen, die aufgrund ihrer personellen Ka- pazitäten keine eigene Forschungs- und Innovationsarbeit leis- ten können.“ ❚